5 architektonische Perlen im Ruhrgebiet
Der Pott kann nicht nur Industriedenkmal
Seien wir mal ehrlich, wenn die Rede von Nordrhein-Westfalen und hochwertiger Architektur ist, kommen nur die wenigsten spontan aufs Ruhrgebiet. Natürlich, wer Fan von historischer Industriearchitektur ist, kommt im Pott voll auf seine Kosten. Die Jahrhunderthalle in Bochum sowie das UNESCO-Welterbe Zeche Zollverein oder der Landschaftspark Duisburg-Nord sind allesamt imposante Bauwerke, die bei den Besuchenden für staunende Gesichter sorgen. Aber abseits der Montanindustrie sind nur wenigen Leuten die architektonischen Perlen der Region bekannt. Fünf der faszinierenden Bauwerke zwischen Duisburg und Dortmund stellen wir Dir jetzt vor.
Die Villa Cuno in Hagen
Die Villa Cuno zählt in NRW zu einem der schönsten Bauwerke der Neuen Sachlichkeit, welches sich durch seine strenge Geometrie auszeichnet. Gelegen in der Stadt Hagen, ist sie ein Teil der dortigen Villen-Siedlung am Stirnband und wurde 1910 für den damaligen Bürgermeister, Willi Cuno, erbaut. Leider befindet sich seit einigen Jahren eine Kita im Inneren des Gebäudes. Somit ist der Bau nur von außen zu besichtigen.
Der Entwurf für die imposante Villa stammt übrigens von keinem Geringeren als Peter Behrens. Behrens selbst gilt heutzutage als eine Art Legende in Sachen Industriedesign und sachlicher Wohnarchitektur. Zudem arbeiteten in seinem Architekturbüro einige junge Architekten, die ihrerseits später zu wahren Legenden wurden, darunter zum Beispiel Walter Gropius.
Die Merkur Spielbank Hohensyburg
Die Hohensyburg in Dortmund ist trotz Ruinen-Status ein hochbeliebtes Ausflugsziel. Gleich nebenan befindet sich die gleichnamige Spielbank, welche zwischen 1983 und 1985 errichtet wurde. Das Casino zählt zu den Besten in ganz Deutschland. Dazu kannst Du Spieler unter anderem online befragen. Volljährige Besucher:innen können hier jedoch nicht nur ihr Glück auf die Probe stellen – die Spielbank Hohensyburg ist darüberhinaus auch aus architektonischer Sicht wirklich einen Besuch wert. Sowohl von innen als von außen imponiert das Bauwerk mit seiner Optik. Bronzene Details, Sandstein und verspiegelte Glasscheiben sorgen für einen einmaligen Look.
Federführender Architekt war hier Harald Deilmann, selbst ein Ruhrpott-Urgestein aus Gladbeck und zudem einer der umtriebigsten und einflussreichsten Architekten Europas. Deilmann gilt bis heuet als einer der wichtigsten Vertreter der Nachkriegs-Moderne und erhielt gut 150 Preise für sein Wirken. Mehr als 1.7000 Bauten entstammen aus seiner Feder, darunter zum Beispiel auch das Neue Nationaltheater in Tokio.
Tipp: Lass dir den Rundblick aus dem obersten Stockwerk nicht entgehen. Er wird gemeinhin als atemberaubend beschrieben.
Die Auferstehungskirche in Essen
Über Jahrhunderte hinweg folgten sehr viele Sakralbauten in Europa althergebrachten Stilen zwischen Romanik und Klassizismus. Ganz anders sieht es bei der Auferstehungskirche in Essen aus. An der Ecke Manteufelstraße 26 kannst Du einen der bedeutendsten Vertreter dieser speziellen Form der Neuen Sachlichkeit bestaunen. Denn die Auferstehungskirche hat den Ruf, nicht weniger als ein Prototyp für eine völlig neue Herangehensweise an das Thema Sakralbauten gewesen zu sein.
Rund ist ihr Grundriss, verspielte Dekorationen sucht man innen und außen vergeblich. Dafür klare Linien und ein Skelett aus hell gestrichenen Stahlträgern mit Ausfachungen aus Ziegeln. Als die Kirche inmitten der Weltwirtschaftskrise 1929/1930 errichtet wurde, war dieses Design nicht weniger als ein Wagnis. Dazu brauchte es einen mutigen Architekten – Otto Bartning. Er gehörte seinerzeit zusammen mit Walter Gropius zu den Begründern des Bauhaus-Stils.
Tipp: Ein früheres Werk von Bartning findest Du ebenfalls in Essen. Es ist die Altlutherische Kirche am Moltkeplatz. Daran kannst du schön sehen, wie sehr sich seine Herangehensweise in nur knapp 20 Jahren verändert hat.
Das Wohnhügelhaus in Marl
Zum Kriegsende war Marl – trotz seiner Industrie und der allgemeinen Lage im Ruhrgebiet – eine vergleichsweise wenig beschädigte Stadt. Kein Wunder, dass es Menschen aus der Region in die Stadt am Wesel-Datteln-Kanal zog. In der Folge wuchs Marls Bevölkerung rasant an und bald war Wohnraum knapp. In vielen anderen Städten war die Antwort darauf, mehr oder weniger würfelförmige Hochhäuser zu bauen: wenig Grund-, dafür viel Wohnfläche. Wie trist derartige Siedlungen wirken können, wusste man schon damals, bloß wollte oder konnte man sich vielerorts den Luxus von attraktiveren Bauten nicht leisten.
Die Stadtväter von Marl jedoch hatten andere Pläne und gestatten den Architekten Peter Faller, Claus Schmidt und Hermann Schröder sowie dem Regierungsbaurat Roland Frey den Bau eines völlig anderen Mehrparteienhauses in der Kreuzstraße. Vier Stockwerke, vier Seiten, aber dreieckig zugeschnitten – und dadurch wie ein Satteldach spitz zulaufend. Ein Grund dafür, dass fast jede der Wohneinheiten eine Dachterrasse und dadurch freien Blick nach oben hat, statt auf den nächsten Balkon.
Das Jahrhunderthaus in Bochum
Das Jahrhunderthaus in Bochum wurde erst errichtet, als sich das Ruhrgebiet tief im Strukturwandel befand. Das Design, welches sich durch zeitgenössische Elemente sowie einen starken Besuch auf die Wurzeln der Region auszeichnet, stammt aus der Feder des Büros Professor Krenz Architekten. Ihm und seinem Team gelang es, für das Jahrhunderthaus eine bemerkenswerte Brücke zu schlagen. Die üppigen Ziegelmauern und langen Fensterreihen sind ganz klar ein wichtiges Element klassischer Ruhrgebiets-Industriearchitektur. Gleichzeitig sind die zwei Gebäudeblöcke, die durch einen Glaskörper verbunden werden, stark aufs Wesentliche reduziert und dadurch nüchtern-modern. Definitiv ein Gebäude, das im besten Sinn Tradition und Moderne nicht nur der Architektur, sondern des Ruhrpotts an sich verbindet.
Auftraggeber für das Bauwerk war übrigens einer der wichtigsten Player der Montanindustrie. Bis heute beherbergt das Gebäude die Hauptzentrale der IG Metall.
Tipp: Die im Einleitungstext angesprochene Jahrhunderthalle befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft. Die perfekte Gelegenheit, um beide Bauten zu bestaunen.